Haftungsmanagement des Steuerberaters im digitalen Zeitalter

Autor:in
Dr. Markus Wollweber

In diesem Beitrag unserer Reihe „Der smarte Berater“ geht es um das Haftungsmanagement des Steuerberaters im digitalen Zeitalter. Die Beschäftigung mit Fragen wie dem Haftungsmanagement erscheint lästig. Unmittelbar Geld verdienen lässt sich hiermit nicht. Dabei sind klare Arbeitsabläufe nicht nur für die Steigerung der Effektivität unerlässlich, sondern helfen zugleich, Haftungsansprüche zu vermeiden beziehungsweise, wenn eine Frist beispielsweise verpasst ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen.

Was ist hierbei zu beachten?

Diclaimer für Daten aus Vorsystemen des Mandanten?

Mit der Digitalisierung einhergeht, dass Mandanten ihre Rohdaten auf Vorsystemen vorbereiten, auf die der Steuerberater zugreift.

Eine gute Mandatsvereinbarung sollte klarstellen, dass die Richtigkeit der vom Mandanten übernommenen Daten unterstellt wird und keine gesonderte Richtigkeitsüberprüfung erfolgt.

Benutzungspflicht des beSt

Für den Steuerberater besteht seit dem 01.01.2023 die aktive Nutzungspflicht für das beSt. Im Grundsatz gilt seither, dass fristwahrende an das Gericht gerichtete Schreiben nur dann wirksam zugegangen sind, wenn sie per beSt versandt wurden. Ist dies nicht geschehen, wird die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand häufig selbst dann von den Gerichten verweigert, wenn der schriftlich oder per Telefax eingereichte Schriftsatz zu einem Zeitpunkt versandt wurde, zu dem der Zugangstoken von der Steuerberaterkammer überhaupt noch nicht zugegangen war. Zynisch verweisen die Gerichte hier darauf, dass das Fastlane-Verfahren für die Erteilung des Zugangs-Token bei der Kammer hätte beantragt werden können.

Hinweis: Neuerdings hat der 10. Senat des BFH in Zweifel gezogen, ob die aktive Nutzungspflicht überhaupt in Kraft getreten ist, oder ob die entsprechende Verordnung unwirksam ist, da sie zu einem Zeitpunkt in Kraft treten sollte, zu dem die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage noch nicht wirksam war (BFH vom 17.4.2024, X B 68, 69/23).

Weiterer Hinweis: Ist nach dem 1.1.2023 zwar per Telefax oder schriftlich eine gerichtliche Fristenerledigung, bspw. Klageerhebung, erfolgt, aber dieses Schreiben dem Gericht einige Tage vor Fristablauf zugegangen, trifft nach Ansicht des BFH die Geschäftsstelle des Gerichts eine unverzügliche Mitteilungspflicht, den Steuerberater auf den Formverstoß hinzuweisen. Unterbleibt die Mitteilung, besteht ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Wiedereinsetzung (BFH-Beschluss vom 12.7.2017 X B 16/17, BFHE 257, 523).

Nicht selten kommt es vor, dass die Gerichte wegen technischer Störungen nicht erreichbar sind. Es handelt sich hierbei um eine sog. vorübergehende Störung. Liegt diese vor, kann die Fristerledigung gegenüber den Gerichten auch durch Telefax oder schriftlich erfolgen. Wichtig hierbei ist, dass schon im fristerledigenden Schriftsatz selbst auf den Umstand der vorübergehenden Unmöglichkeit hingewiesen und die Gründe und die Ursache für die vorübergehende Unmöglichkeit substantiiert offengelegt werden. Ist dies erfolgt, besteht keine Pflicht, den Schriftsatz nochmals per beSt nachzureichen.

Hinweis: Im Einzelfall kann es sich auch bei einem technisch bedingten Ausfalls des beSt anbieten, den Mandanten selbst zu bitten, auf seinem Briefpapier den fristerledigenden Schriftsatz zu versenden, oder aber einen Kollegen aus einer anderen Kanzlei, in Untervollmacht zunächst das fristerledigende Schreiben auf den Weg zu bringen.

Elektronischer Fristenkalender

Viele Büros führen inzwischen einen elektronischen Fristenkalender.

Allerdings hat sich die Sicherheitslage der EDV-Systeme in den zwei Jahren dramatisch verschärft. Allein im letzten Jahr waren bspw. mehrere tausend Steuerberaterbüros von einem Angriff auf einen Systempartner der Datev betroffen und konnten nahezu eine Woche nicht auf ihren elektronischen Fristenkalender zugreifen (https://www.hasepost.de/hackerangriff-auf-it-dienstleister-convotis-verunsichert-steuerberater-und-deren-kunden-422047/).

Wird ein elektronisches Fristenbuch geführt, fordert der BGH, dass durch einen sog. Medienbruch jederzeit sichergestellt ist, auch für den Fall einer EDV-mäßigen Störung oder eines Hackerangriffs prüfen zu können, welche Fristen offen sind und erledigt werden müssen (BGH v. 28.2.2019 III ZB 96/18, GI aktuell 2019, 71). Im Zusammenhang mit der elektronischen Aktenführung hat der BGH am 2.2.2021, X ZB 2/20, NJW-RR 2021, 444 zudem entschieden, von der Anfertigung von Kontrollausdrucken dürfte allenfalls dann abgesehen werden können, wenn andere Vorkehrungen getroffen werden, die ein vergleichbares Maß an Sicherheit ermöglichen.

Faktisch kann der insoweit erforderliche Medienbruch nur dadurch herbeigeführt werden, dass die jeweils zeitnah ablaufenden Fristen einmal täglich ausgedruckt oder jedenfalls auf einem nicht veränderbaren externen Datenträger abgespeichert werden. Nur so kann durch den geforderten Medienbruch mit einem hinreichenden Maß an Sicherheit gewährleistet werden, dass Fristen auch dann gewahrt werden können, wenn es zu einem EDV-Störung kommt, die den Zugriff auf den elektronischen Fristen-Kalender (vorübergehend) unmöglich macht.

Wird nicht in dieser Weise verfahren, ist regelmäßig damit zu rechnen, dass wegen organisatorischen Eigenverschuldens auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, wenn die Frist wegen der Nichtverfügbarkeit des elektronischen Fristenkalender nicht gewahrt werden kann. 

Glaubhaftmachung mit Versicherung an Eides statt mit beSt?

Falls in einem uU doch einmal notwendigen Wiedereinsetzungsverfahren zum Zwecke der Glaubhaftmachung eine Versicherung an Eides statt erteilt werden soll, ist zu berücksichtigen, dass der Versicherung an Eides statt erhöhte Beweiskraft zukommt, da die auch nur fahrlässig falsche Versicherung bspw. gegenüber einem Gericht strafbar ist, § 156 StGB. Allerdings erfordert eine Strafbarkeit gemäß § 156 StGB, dass die eidesstattliche Versicherung entweder mündlich oder schriftlich im Original abgegeben wird.  

Problematisch ist, dass per beSt nur eine elektronische Kopie der eidesstattlichen Versicherung eingereicht wird. Folgende Möglichkeiten bieten sich insoweit an.

a. Sofern die Versicherung an Eides statt von Beraterseite abgegeben wird, kann diese die Versicherung an Eides statt elektronisch signieren und selbst per beSt einreichen.

b. Sofern Dritte die Versicherung an Eides statt abgeben, die keine eigene Möglichkeit zur elektronischen Signatur haben, bietet es sich an, mit einer „Glaubhaftmachungskette“ zu arbeiten: Hier reicht der Bevollmächtigte per beSt neben der elektronischen Kopie der eidesstattlichen Versicherung des Dritten eine von ihm, dh. dem Bevollmächtigten, elektronisch signierte Versicherung an Eides statt ein, in der der Bevollmächtigte an Eides statt versichert, dass ihm die vom Dritten  unterzeichnete eidesstattliche Versicherung schriftlich im Original vorliege. Dies kann zusammen mit der Ankündigung erfolgen, das Original bei Bedarf sofort vorzulegen. Dies wird in der Regel zur hinreichenden Überzeugungsbildung und damit zur erfolgreichen Glaubhaftmachung ausreichen.

c. Als möglich wird es zudem auch im Geltungsbereich des § 130a ZPO (bzw. uE analog § 52d FGO) angesehen, eidesstattliche Versicherungen schriftlich bei Gericht einzureichen. Denn es handelt sich dabei um Beweismittel, für die § 130a ZPO nicht gilt. Mit einer Einreichung per Post geht jedoch ein gewisser Zeitverlust einher. Hier ist im Auge zu behalten, dass die Glaubhaftmachung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (im Klageverfahren sind dies nur zwei Wochen!) zu erfolgen hat. Dabei wird es auf den Zugang der Versicherung an Eides statt bei Gericht im Original vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist ankommen.

Hinweise zum Wiedereinsetzungsantrag: Innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist müssen Wiedereinsetzungsgründe dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb der Frist vollständig, substantiiert und schlüssig darzulegen. Dh. sämtliche Sachverhaltsumstände und Beweismittel, inkl. Glaubhaftmachung durch bspw. Kanzleipersonal, müssen sich aus dem Antrag zur Wiedereinsetzung geben. Ein Nachschieben von Gründen ist grundsätzlich nicht möglich.

Über den Autor

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Dr. Markus Wollweber 

Fachanwalt für Steuerrecht und seit 2010 Partner bei STRECK MACK SCHWEDHELM Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB in Köln.

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Was ist der smarte Berater?

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